DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE UND -FORSCHUNG E.V.

Nachwuchspreise für wissenschaftliche Leistungen (Early-Career-Preise)

Ein zentrales Anliegen der DGPSF ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Als Zeichen der Anerkennung verleiht die DGPSF seit einigen Jahren alle zwei Jahre je einen Nachwuchspreis für wissenschaftliche Leistungen in zwei Kategorien. Prämiert werden wissenschaftliche Leistungen von Nachwuchswissenschaftlern und Nachwuchswissenschaftlerinnen (Kategorie Abschlussarbeit (MSc Thesis/Diplomarbeit); Kategorie Dissertation (Dissertationsschrift oder Publikation als ErstautorIn) zu Themen aus dem Bereich der Schmerzpsychotherapie oder der Grundlagenforschung, die wesentlich zum Verständnis psychologischer Schmerzmechanismen bei der Entstehung, Aufrechterhaltung oder Behandlung akuter und chronischer Schmerzen beitragen. Die Preise sind jeweils mit Preisgeld und einer Einladung zur Jahrestagung der DGPSF dotiert. Über die Ausschreibung wird rechtzeitig informiert.

Nachwuchspreis 2022

Dr. rer. nat. Beatrice Korwisi
Preisträgerin des Nachwuchspreises 2022 für wissenschaftliche Leistungen in der Kategorie "Dissertation - Klinische Forschung".

Nachwuchspreis 2019

Preis Dissertation:
Dr. Lea Schemer (Uni Marburg)

Preis Abschlussarbeit:
Kim Opdensteinen (Uni Trier)

Nachwuchspreis 2017

Auf der Jahrestagung der DGPSF 2017 wurden zwei Nachwuchspreise vergeben. Prämiert wurde eine wissenschaftliche Leistung in der Kategorie Abschlussarbeit zum Thema Sport und Schmerzhemmung und in der Kategorie Dissertation eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Placbeoeffekt bei Kindern. Jurymitglieder waren Prof. Dr. Michael Hüppe (Lübeck), Prof. Dr. Christiane Hermann (Gießen), Dr. Ulrike Kaiser (Dresden) und Dr. Bernhard Klasen (München). Ausgezeichnet wurden die Arbeiten von Maria Carl, MSc (Jena) und Dr. Silke Leifheit (Gießen).

In ihrer Masterarbeit „Antizipation vs. Realisierung eines 2-hr-Ausdauerlaufes: Was wirkt schmerz-hemmender?“ hat Frau Carl mittels fMRT die schmerzinhibierende Wirkung eines Ausdauerlaufs bzw. dessen Antizipation bei Läufern untersucht.

In ihrer Dissertation „Placeboeffekt bei Kindern und Jugendlichen: Mechanismen und Determinanten“ hat Dr. Leifheit systematisch mögliche Altersunterschiede beim  Placeboeffekt unter Berücksichtigung von Erwartungs- und Lernmechanismen und der Rolle der Mutter experimentell überprüft.

Im Anschluss an die Preisverleihung haben beide Preisträgerinnen ihre eindrucksvollen Arbeiten den Tagungsteilnehmern präsentiert. 

Nachwuchspreis 2015

Auf der Jahrestagung der DGPSF 2015 wurden zwei Nachwuchspreise vergeben. Prämiert wurde eine wissenschaftliche Leistung in der Kategorie Abschlussarbeit zum Thema Schmerzpsychotherapie und in der Kategorie Dissertation eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Bereich der psychologischen Schmerzgrundlagenforschung. Jurymitglieder waren Prof. Dr. T. Meyer (Hannover), Prof. Dr. M. Hüppe (Lübeck), Prof. Dr. C. Hermann (Gießen) und PD Dr. T. Hechler (Datteln). Sie entschieden sich für eine Auszeichnung der Arbeiten von V. Welter (Köln) und P. Reichelt (Würzburg). 

In ihrer Masterarbeit „Corticale Reorganisation bei akutem und subakutem somatischem Nociceptor-Schmerz: Effekte eines sensorischen Stimulationstrainings auf Schmerz-wahrnehmung und –erleben“ hat Virginia Welter, MSc Psychologie, die Veränderungs-mechanismen eines Stimulationstrainings bei Schmerzpatienten untersucht. 

In seiner Dissertation „Cognitive and Emotional Influences on Placebo Analgesia and Nocebo Hyperalgesia“ hat Herr Dr. Reicherts (Universität Würzburg) eine Reihe von Experimenten durchgeführt, wie Placebo- und Noceboreaktionen durch emotionale und kognitive Faktoren moduliert werden. 

Auf der Jahrestagung der DGPSF wurden beiden Preisträgern ihre Preise übergeben. Frau Welter und Dr. Reicherts haben ihre eindrucksvollen Arbeiten den Tagungsteilnehmern präsentiert. 

Nachwuchspreis 2013

Auf der diesjährigen Jahrestagung der DGPSF wurden zwei Wissenschaftspreise verliehen. Prämiert wurden wissenschaftliche Leistungen aus der Schmerzpsychotherapie oder der Grundlagenforschung, die wesentlich zum Verständnis psychologischer Schmerzmechanismen akuter und chronischer schmerzen beitragen. Jurymitglieder waren Prof. Dr. M. Pfingsten (Göttingen), Dr. G. Fritsche (Essen), Prof. Dr. M. Hüppe (Lübeck) und Prof. Dr. H.C. Traue (Ulm). Sie entschieden sich für eine Auszeichnung der Publikationen von E. Schulz (München) und I. Vogel (Jena).

Herr Dipl.-Psych. Dr. Enrico Schulz (München) zeigt in einer grundlagenorientierten Arbeit die Möglichkeit der Bestimmung von Schmerzempfindlichkeit mittels EEG-Analysen. [Schulz E, Zherdin A, Tiemann L, Plant C, Ploner M (2011). Decoding an individual’s sensitivity to pain from the multivariate analysis of EEG data. Cerebral Cortex 22: 1118-1123].

Frau Dipl.-Psych. Isabell Vogel (PP, Jena) belegt mit einer anwendungsorientierten Arbeit die Wirksamkeit einer kurzen psychologischen Intervention auf postoperativen Schmerz 6 Wochen nach einer Operation an der Wirbelsäule. [Reichart R, Vogel I, Weiss T, Henning S, Walter J, Kalff R (2011). Short psychological intervention as a perioperative pain reduction treatment in spinal neurosurgery. Cen Eur Neurosur 72: 1-9 (Epub ahead of print)].

Der Preis honoriert wissenschaftliche Leistungen (Diplomarbeit, Dissertation oder Publikation als ErstautorIn) aus der Schmerzpsychotherapie oder der Grundlagenforschung, die wesentlich zum Verständnis psychologischer Schmerzmechanismen akuter und chronischer Schmerzen beitragen. 

Der Preis ist mit 1000 € und einer Einladung zur jeweils aktuellen Jahrestagung der DGPSF nach dotiert.

Nachwuchspreis 2010

Dipl.-Psych. M. Dobe

Vodafone Stiftungsinstitut und Lehrstuhl für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik, Universität Witten/Herdecke

Die Schmerzprovokationstechnik als ein zusätzlicher Behandlungsbestandteil für Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen

Theoretischer Hintergrund: Neuere Prävalenzstudien sprechen für eine erhebliche Komorbidität zwischen chronischem Schmerz und emotionalen Belastung infolge traumatischer Lebensereignisse. Dies sollte in der Therapie berücksichtigt werden. Leider wurde bislang kein Therapieverfahren für Kinder und Jugendliche publiziert, welches gleichermaßen chronischen Schmerz als auch die hohe emotionale Belastung infolge von belastenden oder traumatischen Ereignissen adressiert.

Effektiv sind Interventionen nach dem Fear avoidance-Konzept mit Exposition , weil vermutlich die  Verbindung zwischen chronischem Schmerz und emotionaler Belastung abgeschwächt wird, denn  Expositionsverfahren reduzieren die Angst vor Schmerz und mindern die ängstlich erhöhte Körperselbstaufmerksamkeit (anxiety sensitivity). Vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, Expositionsverfahren in eine Therapiemethode zu implementieren, welche sowohl den chronischen Schmerz als auch eine hohe emotionale Belastung positiv beeinflussen will. 
Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage wurde im Rahmen einer stationären multimodalen Schmerztherapie bei Kindern und Jugendlichen eine zusätzliche Behandlungskomponente, die "Schmerzprovokation", entwickelt und evaluiert. Die Schmerzprovokation beinhaltet sowohl Elemente der graduellen interozeptiven Reizexposition zur schrittweisen Steigerung der Schmerzintensität (z.B. über eine Erhöhung der Körperselbstaufmerksamkeit oder die Fokussierung auf körperliche Anspannung auslösende Erinnerungen) als auch den sich direkt anschließenden Einsatz von schmerzbezogenen Copingstrategien zur schrittweisen Reduktion der Schmerzintensität. Da die mit der Angst vor Schmerz sowie der mit anxiety sensitivity verbundene Schmerzwahrnehmung eng mit weiteren belastenden Emotionen und Kognitionen (z.B. auch hinsichtlich traumatischer und belastender Lebensereignisse) assoziiert sein kann, wurde die bilaterale Stimulation als eine Möglichkeit zur Reduktion der limbischen Aktivierung bei Schmerz zusätzlich implementiert. 

Anhand des Fallbeispiels eines Jungen mit sowohl einer chronischen Schmerzstörung als auch einer Anpassungsstörung infolge eines Todesfalls wurde die potentielle Wirksamkeit der Methode untersucht. Erst die Implementierung der Methode der Schmerzprovokation führte zu einer Reduktion sowohl der schmerbezogenen als auch emotionalen Belastung im Vergleich zu einer normalen Schmerztherapie im Rahmen einer multimodalen stationären Schmerztherapie. Aufgrund dieser ermutigenden Beobachtung wurde im Rahmen einer matched-case-control Studie untersucht, inwiefern die zusätzliche Implementierung der Technik der Schmerzprovokation einen für die Kinder zusätzlichen Benefit drei Monate nach Beendigung der stationären Therapie darstellte. Hierzu wurde eine Schmerzprovokationsgruppe (N=40) mit einer gematchten Vergleichsgruppe (N=40) bezüglich der Schmerzintensität, schmerzbezogenen Beeinträchtigung, den Schulfehltagen sowie der emotionalen Belastung (Angst und Depression) drei Monate nach Beendigung der stationären Behandlung verglichen. Es zeigte sich eine signifikant stärkere Schmerzreduktion sowie signifikante stärkere Verringerung der Schulunlust in der Schmerzprovokationsgruppe nach drei Monaten. Die übrigen Outcome-Variablen unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen. Der Anteil der Kinder mit einer komorbiden Anpassungs- oder Traumastörung war allerdings zu gering, um darüber eine spezielle Aussage zu ermöglichen.
Die Schmerzprovokation bewirkt einen zusätzlichen Nutzen für die Schmerztherapie bei Kindern. Weitere Studien müssen nun zeigen, auf welche Bestandteile der Methode die beobachteten Effekte nun genau zurückzuführen sind und inwiefern die Methode der Schmerzprovokation für Kinder mit einer chronischen Schmerzstörung und gleichzeitigen Anpassungs- oder Traumastörung geeignet ist

Dr. Nicole Leißner, Diplom-Psychologin

Universität Ulm

Zur Versorgungssituation traumatisierter Flüchtlinge am Beispiel des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm
Psychische und Körperliche Beschwerden nach Extremtraumatisierung

Die ausgezeichnet Arbeit befasst sich kritisch mit der klinischen Praxis zum Störungskonzept der Posttraumatischen Belastungsstörung, in der bestimmte psychische und körperliche Beschwerden nach Extremtraumatisierung, sowie die geschlechts-, kultur- und traumaspezifischen Besonderheiten hinsichtlich der Symptomatik – insbesondere der Schmerzsymptome -  nur unzureichend berücksichtigt werden. 
Am Beispiel der Patienten des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm (BFU) werden psychische und somatische Beschwerden nach Extremtraumatisierung untersucht. Es wird angenommen, dass sowohl die Misshandlungsarten als auch die berichteten Beschwerden durch geschlechts- und länderspezifische Faktoren beeinflusst werden und dass Zusammenhänge zwischen Misshandlungsart und Beschwerden bestehen. Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit eine adäquate psychosoziale Versorgung betroffener Flüchtlinge in der Praxis erreicht werden kann und Art und Umfang der bisherigen Arbeit der Behandlungseinrichtung dokumentiert. Datengrundlage der vorliegenden Arbeit bilden die im klinischen Prozess erhobenen Daten des Behandlungszentrums Ulm über einen Zeitraum von sechs Jahren.
Im Untersuchungszeitraum von 1999-2004 kontaktierten  insgesamt 1481 traumatisierte Migranten das BFU aus zahlreichen Herkunftsländern. Bezogen auf den gesamten Untersuchungszeitraum erhielten insgesamt 78% aller Patienten (n=1158) diagnostische Gespräche zur Abklärung ihrer Beschwerden. 23% aller Patienten, die mit dem BFU Kontakt aufnahmen, erhielten eine verbale Traumatherapie. Etwa 2/3 der Therapien werden mit Hilfe von Dolmetscher durchgeführt. Die Daten zeigen, dass in den Herkunftsländern der betroffenen unterschiedliche Foltermethoden praktiziert werden. 
Vielfältige Schmerzen werden von Extremtraumatisierten als häufigste Symptomgruppe berichtet. Die Muster der Schmerzsymptome korrelieren signifikant mit Art, Häufigkeit und Schweregrad der Traumatisierung. Frauen sind stärker betroffen als Frauen. Die Korrelationen zwischen dem Ausmaß der Traumatisierung und dem Schweregrad der psychischen und körperlichen Beeinträchtigung erklären etwa 25% der gemeinsamen Varianz. Weiterhin konnten bedeutsame Einflüsse von Geschlecht und Herkunftsland auf die Symptommuster der PTBS nachgewiesen werden.
Die Studie macht deutlich, dass ein erheblicher Therapiebedarf hinsichtlich des Schmerzleidens von extrem Traumatisierten besteht und dass die schmerztherapeutische Versorgung unzureichend ist. Die Traumaforschung befasst sich erst seit jüngerer Zeit mit diesem Problem. Die Fokussierung auf die „psychiatrische“ Symptimatik der PTBS in asylrelevanten Entscheidungen entspricht nicht der Realität der pathologischer Entwicklungen nach Extremtraumatisierung und Folter.

Dr. Andrea Wendt

Beeinträchtigung und Selbstwirksamkeitserwartung bei chronischen RückenschmerzpatientInnen

Fragestellung:  Beeinträchtigung und Selbstwirksamkeitserwartung erwiesen sich immer wieder als einflussreiche Variablen bei chronischen Rückenschmerzen. Beim Konzept der  Selbstwirksamkeitserwartung steht die Beziehung zwischen eigener Einschätzung und gezeigtem Verhalten im Mittelpunkt. Das Ausmaß der Beeinträchtigung wird i.d.R. lediglich über Selbsteinschätzungsverfahren erhoben, ob diese jedoch mit der  beobachtbaren Beeinträchtigung übereinstimmt bleibt oft unklar.  Ziel dieser Arbeit war es, die Zusammenhänge zwischen beobachtbarer und selbsteingeschätzter Beeinträchtigung besser zu verstehen sowie die Rolle zu beschreiben, die die Selbstwirksamkeitserwartung dabei spielt. 
Methode: 71 chronische RückenschmerzpatientInnen und 48 Rückengesunde schätzten ihr Beeinträchtigungserleben (verbal sowie mit Hilfe von Fragebögen) ein und führten Hebetests durch, bei denen die Beeinträchtigung beobachtet wurde. Weiterhin wurden die Selbstwirksamkeitserwartung und mögliche weitere Einflussfaktoren wie schmerzbezogene Ängste, Depressivität sowie biosoziale Faktoren erfasst. 
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Für die Selbstwirksamkeitserwartung konnte erneut gezeigt werden, dass dieses Konzept in engem Zusammenhang zu relevanten Variablen chronischer Schmerzen steht. Interessanterweise jedoch lediglich die spezifische Selbstwirksamkeitserwartung, während die globale keine bedeutsame Rolle zu spielen scheint. 
Das Beeinträchtigungserleben (erhoben über Selbstbeurteilungsverfahren) weicht bei der Mehrheit der RückenschmerzpatientInnen nur wenig von der beobachtbaren Beeinträchtigung ab. Auch gelingt ihnen im Vergleich zu den Rückengesunden eine korrektere Einschätzung ihrer Ergebnisse im Verhaltenstest. Daher muss davor gewarnt werden, dass Diskrepanzen zwischen der beobachtbaren Beeinträchtigung und den Selbsteinschätzungen  als typisches Merkmal von chronischen RückenschmerzpatientInnen angesehen werden oder als eindeutiger Hinweis auf Aggravationstendenzen. 
Weiterhin lässt sich aus diesen Ergebnissen ableiten, dass für eine validere Erfassung der Beeinträchtigung neben Selbstbeurteilungsverfahren auch Verhaltenstests eingesetzt werden sollten. 

Nachwuchspreis 2008

Dr. Jens Tretrop

Universität Hamburg, Psychotherapeutische Hochschulambulanz

Der Placeboeffekt bei chronischen Rückenschmerzpatienten : eine klinisch - experimentelle Studie

Theoretischer Hintergrund: Die zentralen psychologischen Theorien zu Wirkmechanismen des Placeboeffekts sind a) Erwartungsphänomene und b) die Klassische Konditionierung; in der Literatur wird eine Verknüpfung beider Ansätze vorgeschlagen. In einer klinisch-experimentellen Studie wurde untersucht, ob sich bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (N=72) (1.) durch die ihnen explizit über eine Placebo-Tinktur gegebene Information „Opioid“ ein Placeboeffekt aufbauen lässt, (2.) ob ein solcher Effekt durch aktuelle Lernerfahrungen im Rahmen einer experimentellen Konditionierungs-Prozedur noch erhöht, bzw. (3.) durch eine experimentelle Konditionierungsprozedur aufgebaut werden kann, wenn zuvor die Information „Placebo“ mitgeteilt wurde.

Methode: Als Placebo wurde eine wirkstofffreie Tinktur verwendet, der per Instruktion entweder a) eine zentrale, hochanalgetische und beweglichkeits-steigernde Wirksamkeit („Opioid“) oder b) keine Wirkung („Placebo“) zugesprochen wurde. Beide Gruppen wurden in je 3 weitere Gruppen unter-teilt (sofortige, verzögerte, keine Konditionierung). Die Konditionierungs-Prozedur erfolgte durch die für die Patienten unwissentlich durchgeführte Halbierung eines experimentellen intrakutanen elektrischen Schmerzreizes. Die Wirksamkeitserwartungen wurden im Verlauf mehrmals erfragt.

Ergebnisse: Allein durch die Information „Opioid“ ließ sich eine Placebo-Analgesie bzgl. der Wahrnehmung der experimentellen Schmerzreize und der klinisch relevanten Rückenschmerzen aufbauen. Außerdem wurden die vor der Durchführung komplexer alltagsnaher Aktivitäten bestandenen bewegungs-bezogenen Ängste verringert und Verhaltensmerkmale während der Durchführung der Aktivitäten beeinflusst (Verbesserung von subjektiv erlebter Beeinträchtigung, der Funktionskapazität und Verkürzung der benötigten Ausführungszeit). Die allein durch die Opioidinformation aufgebauten Placeboeffekte ließen sich durch die Konditionierungsprozedur nicht signifikant vergrößern. Die zu Beginn infolge der Information „Opioid“ hervorgerufenen hohen Wirksamkeitserwartungen konnten durch aktuelle Lernerfahrungen zwar nicht gesteigert, aber aufrechterhalten werden. Bei den Patienten mit der Information „Placebo“ zeigte sich nach der sofortigen Konditionierung bei den Rückenschmerzen eine Placeboanalgesie. Es ließen sich in dieser Gruppe nach der Konditionierung nur geringe Wirksamkeitserwartungen aufbauen. Insbesondere durch die explizite Erwartungsmanipulationergab sich ein klinisch relevanter schmerzlindernder und bewegungsverbessernder Placeboeffekt.

Schlußfolgerung: Die Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung der den Patienten über ein Präparat explizit gegebenen Informationen, der aktuellen Lernerfahrungen und der aufgebauten Erwartungen für die Ausbildung des Placeboeffekts. Zusammenhänge des Placeboeffekts zum „Fear-Avoidance-Modell“ der Chronifizierung von Rückenschmerzen werden hergestellt. Ansatzpunkte zur Optimierung der Konditionierungsprozedur werden aufgezeigt.

Dr. Heike Schultze

Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim

Stationäre psychosomatische Rehabilitation bei chronischen Schmerzpatienten – Evaluation einer psychoedukativen sozialmedizinischen Gruppenintervention

Fragestellung: PatientInnen mit chronischen Schmerzen gelten in der psychosomatischen Rehabilitation als schwierig behandelbar. Ursache dafür ist oftmals einerseits die Fixierung der Patienten auf ein organmedizinisches Krankheitsmodell, andererseits liegt bei dieser Patientengruppe häufiger als bei Patienten mit anderen Störungen eine sozialmedizinische Problematik vor. Nach bisherigen Untersuchungen ist die Variable „laufendes Rentenverfahren“ generell ein sehr bedeutsamer Prädiktor für therapeutischen Misserfolg in der stationären psychosomatischen Rehabilitation.
Meist wird der therapeutische Misserfolg ausschließlich als Konsequenz des Rentenbegehrens, d.h. eines Patientenmerkmals, interpretiert. Allerdings mangelt es an spezifischen Angeboten gerad efür diese Patientengruppe. Die Zielsetzung bestand in der Evaluation eines neu entwickelten sozial-medizinischen Therapiemoduls (bestehend aus Vortrag, Videopräsentation und interaktiver Arbeit an Fallbeispielen), das zum Ziel hat,  die Motivation der Patienten zur Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme und das Rehabilitationsergebnis zu verbessern.

Methode: Die Gruppenintervention wurd eim Rahmen einer kontrollierten, prospektiven Studie evaluiert und in Rahmen eines quasi-experimentellen, drei-faktoriellen Designs mit zwei Gruppenfaktoren (Faktor 1: Treatment: sozialmedizinische Intervention (ExGr 1) vs. Entspannungseinheit (ExGr 2); Faktor 2: mit vs. ohne laufendes Rentenverfahren) und – Faktor 3 - einem dreistufigen Messwiederholungsfaktor (stationäre Aufnahme, stationäre Entlassung, 6-Monats-Katamnese) geprüft. Die Treatmentbedingungen wurden nach einem ABBA-Schema realisiert. 
Alle Patienten mit primärer Klassifikation einer Schmerzstörung wurden in die Studi eaufgenommen. Patienten beider Untersuchungsbedingungen nahmen an der störungsspezifischen Schmerzgruppe der Klinik, innerhalb deren die sozialmedizinische Einheit eingebettet war, teil und waren darüber hinaus in die Regelversorgung der Klinik eingebunden. Mit bewährten standardisierten Fragebogenverfahren wurden über die drei Messzeitpunkte gängige soziodemographische, sozialmedizinische, symptomatologische und motivationale Merkmale erhoben. Untersucht wurden 206 Patienten mit chronischen Schmerzstörungen (NExpGr=100 ; NKoGr=106). Die beiden Experimentalgruppen waren hinsichtlich wesentlicher Stichprobenkennwerte vergleichbar.

Ergebnisse: Die sozialmedizinische Intervention fand bei allen Patienten unterschiedslos eine hohe Akzeptanz. Patienten der ExGr 1 wissen nach der Intervention über sozialmedizinische Sachverhalte besser Bescheid als Patienten der ExGr 2. 
Die Rehabilitations-Maßnahme als ganze war – unabhängig von der Versuchsgruppenzugehörigkeit – hoch wirksam. Patienten mit laufendem Rentenverfahren profitierten – betrachtet man die absoluten Differenzwerte -ebenso günstig wie Patienten ohne laufendes Rentenverfahren. Entgegen den Erwartungen war bei den Patienten mit laufendem Rentenverfahren der Trippel-Interaktionseffekt nicht signifikant – die sozialmedizinische Intervention hatte bei Patienten mit laufendem Rentenverfahren über die Messzeitpunkte hinweg keinen zusätzlichen (differenziellen) Therapieeffekt. Auch hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeiten in den sechs Monaten nach der Entlassung aus der stationären Rehabilitation gab es zwischen beiden Experimentalgruppen keine bedeutsamen Unterschiede.

Schlußfolgerung: Trotz aller positiver Wirkungen der Gesamtmaßnahme wurde der angezielte, zusätzliche Effekt der Gruppenintervention nicht erreicht. Die Intervention ist allerdings per se wertvoll, indem sie dem Recht des Patienten auf Informierung Rechnung trägt.

Nachwuchspreis 2006

Dr. Sandra Schramm,
Universität Hamburg, 
Psychotherapeutische Hochschulambulanz
(Leiterin Dr. Regine Klinger)

Ein dynamischer Ansatz zur Steigerung der Veränderungsmotivation von chronischen Rückenschmerzpatienten
Eine prospektiv kontrollierte Interventionsstudie mit Messwiederholungsdesign

Die Motivation zur aktiven Bewältigung chronischer Schmerzen gilt innerhalb der Schmerztherapie­forschung als problematischer Bereich. Durch den Einsatz einer neu entwickelten Kurzintervention, bestehend aus zwei effektiven Verfahren aus dem Bereich der Motivationspsychologie sowie dem Hinzufügen eines Problemlösungsansatzes, versuchte Frau Dr. Sandra Schramm in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Regine Klinger in einer Studie, die Eigenaktivität von chronischen Rückenschmerz­patienten zu erhöhen und damit das Therapieergebnis zu verbessern. Hauptziel der Untersuchung war die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit chronischer Rückenschmerzpatienten.Die eingesetzten Motivationsstrategien waren zum einen das so genannte „mentale Kontrastieren“ aus der „Fantasy Realization Theory“ nach Oettingen (1996). Dabei handelt es sich um einen Abwägungs­prozess, bei dem sich abwechselnd die positiven Aspekte im Zusammenhang mit der Zielerreichung mit den Hindernissen vor Augen geführt werden. Zum anderen wurde die Strategie der „Implementation Intentions“ im Rahmen des „model of action phases“ nach Gollwitzer (1993) verwendet. Dies ist ein besonderes Verfahren zur Vorsatzbildung, bei dem erwünschte Verhaltensweisen an situative Bedingungen gekoppelt und somit automatisch ausgelöst werden, ohne kognitive Kapazität zu benötigen. Beide Verfahren gelten als Strategien zur Optimierung der Zielerreichung und sind in zahlreichen experimentellen Studien überprüft worden.

Methode: Zwei randomisiert zugeordnete Gruppen à 30 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (Interventionsgruppe vs. KG) durchliefen eine 3 bis 4-wöchige ambulante Rehabilitations-Behandlung. Die Interventionsgruppe erfuhr zusätzlich die benannten Motivationsstrategien unter verhaltenstherapeutischer Anleitung. Zudem wurden Problemlösungsansätze für die aufgedeckten Hindernisse erarbeitet. Zur Messung des Therapieerfolges (prae, post, follow up nach drei Monaten) wurden die Erfolgskriterien Arbeitsfähigkeit, Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Schmerzreduktion, Steigerung der Veränderungsbereitschaft, Erreichen persönlicher Therapieziele herangezogen und durch Fragebögen und Verhaltensstichproben operationalisiert.

Ergebnisse: Die Interventionsgruppe war der Kontrollgruppe besonders im Bereich der Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit deutlich überlegen, d.h. die tatsächliche Umsetzung der erlernten Verhaltensweisen verlief erfolgreicher. Dies wurde sowohl in den Ergebnissen des Funktionsfragebogens Hannover - Rücken im Selbstbericht als auch bei objektiven Kriterien, einem Hebe- sowie Ergometertest deutlich.

Schlussfolgerung: Die neu entwickelte Kurzintervention, bestehend aus den theoretischen Motivationsstrategien und dem verhaltenstherapeutisch orientierten Problemlösungsansatz, zeigte ihre Effektivität bei der Behandlung chronischer Schmerzen. In dieser Studie wurden die theoretischen Motivationsstrategien miteinander kombiniert sowie erstmalig als Teil eines Therapieprogramms für eine klinische Population im verhaltenstherapeutischen Setting angewandt. Die Kurzintervention für Rückenschmerzpatienten konnte effektiv in das therapeutische Setting integriert werden. Aufgrund ihres zeitlich knappen Formates kann sie als Baustein im Rahmen multimodaler Behandlung zu einem verbesserten „Therapie-Outcome“ beitragen.

Dipl. Psych. Corinna Leonhardt
Philipps-Universität Marburg, Institut für Medizinische Psychologie
(Leiter: prof. Dr. H.D. Basler)

Prof. Dr. Stefan Keller, University of Hawaii at Manoa, Department of Public Health Sciences & Epidemiology

 
Depressivität, Bewegungsangst-Kognitionen und körperliche Aktivität bei Patienten mit Rückenschmerz
Sind depressive Rückenschmerzpatienten Bewegungsmuffel?

Regelmäßige körperliche Aktivität ist Bestandteil aller derzeitigen Empfehlungen zur Behandlung des Rückenschmerzes. Rückenschmerzpatienten zur Änderung eines eher wenig aktiven Lebensstils zu bewegen, ist jedoch eine besondere Herausforderung, da viele Schmerzpatienten gleichzeitig unter einer depressiven Stimmung leiden. Diese antriebsarmen, resignierten Rückenschmerzpatienten sollten eine geringere Bereitschaft haben, regelmäßig intensiver körperlicher Betätigung nach­zugehen. Dies sollte um so eher der Fall sein, wenn Depressivität mit der Einstellung gekoppelt ist, dass körperliche Aktivität ursächlich an der Entstehung von Beschwerden beteiligt ist („Körperliche Aktivitäten verstärken meine Schmerzen“). Bei der Datenanalyse eines großen vom Bundesminis­terium für Bildung und Forschung finanzierten Projektes mit einer Stichprobe von 1378 Patienten aus Hausarztpraxen (58% weiblich, mittleres Alter 49 Jahre, rund 60% akute Schmerzen) konnten die meisten der Annahmen erstaunlicherweise nicht bestätigt werden. Zwar zeigten Patienten mit höheren Depressivitätswerten und starken Überzeugungen, Bewegung schade dem Rücken die geringste Aktivität bei der Ausgangsmessung –doch lag auch diese schon im Durchschnitt bei über 2000 kcal/Woche. Depressive und nicht-depressive Patienten unterschieden sich nicht in der Bereitschaft, demnächst ein gesundheitlich wirksames Maß körperlicher Aktivität anzustreben. Weder Depressivität noch die Einstellung, körperliche Aktivität schade dem Rücken, waren signifikante Vorhersagefaktoren für das Aktivitätsniveau nach sechs oder 12 Monaten. Wichtig waren hierfür ähnliche Einstellungen, wie sie auch von Gesunden bekannt sind: die eigene Zuversicht, auch unter widrigen Umständen eine geplante körperliche Aktivität in die Tat umzusetzen und die Wahrnehmung von Vorteilen bezüglich regelmäßiger Aktivität („Ich fühle mich dann weniger gestresst“) - das letztere insbesondere um einen Rückfall in Inaktivität vorzubeugen. Depressivität oder ängstliche Einstellungen gegenüber Bewegung sind nach unseren Daten erstaunlicherweise wenig geeignet, die Bereitschaft zur Aktivität oder tatsächliche Aktivität bei akuten Rückenschmerzpatienten vorherzusagen. Dennoch muss aber allen Rückenschmerzpatienten weiter empfohlen werden, möglichst schnell wieder körperlich aktiv zu werden und regelmäßig Sport zu treiben, da es die Stimmung verbessert, Stress abbauen hilft sowie die Kondition und Fitness steigert!

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